top of page

Zur Entstehung der Verfassung und Bedeutung der Präambel

Mit Kommunalwahlen fing alles an

Die erste demokratische Wahl im Saarland nach 1935 war eine Kommunalwahl (Gemeinderatswahl). Sie wurde am 15. September 1946 durchgeführt. [1] Darüber wurden die Saarländer bereits am 5. August 1946 unterrichtet. [1] Außerdem wurde am selbigen Tag der Verkündung die Verordnung Nr. 49 von den damaligen, französischen Besatzern verabschiedet, um freie demokratische Wahlen in der französischen Besatzungszone und dem noch damaligen Saarprotektorat [1] überhaupt erst zu ermöglichen. Sieben Tage nach der Kommunalwahl (22. September 1946) waren alle gewählten Gemeinderäte bereits konstituiert. Die 337 Bürgermeister wurden damals aus der Mitte des Gemeinderates gewählt. [1] Nachdem dies vollzogen war, bestand das Saarland aus seinen Gemeinden, sieben Landkreisen und der kreisfreien Stadt Saarbrücken.

 

Durch die Wahlen wird die militärische Verwaltung abgelöst

Diese Wahlen waren von außerordentlicher Wichtigkeit für alle Saarländer, denn so bekamen alle Saarländer die Macht, das bis dahin existierende Regierungspräsidium Saar – angeführt von  Dr. Neureuter als rein militärisches Verwaltungsprovisorium – durch eine zivil geführte Verwaltungskommission für den Übergang abzulösen. Dies geschah am 9. Oktober 1946 um 17 Uhr Mitteleuropäischer Zeit. [1] 

 

Die Verwaltungskommission als Grundstein für die Verfassung

Mit dieser Verwaltungskommission des Saarlandes wurde der Grundstein gelegt, um die Verfassung des Saarlandes auszuarbeiten und die erste demokratische Landtagswahl des Saarlandes durchzuführen. Am 23. Mai 1947 wurde eine Rechtsanordnung bezüglich der französischen Noch-Besatzer verabschiedet, um eine Verfassungskommission im Saarland einzusetzen. [2] Dieser Akt wurde durch Drängen der Verwaltungskommission des Saarlandes und allen Saarländern vollzogen.

 

Am 27. Mai 1947 wurde die Verfassungskommission des Saarlandes feierlich eingesetzt; [2] zwei Tage später hielten sie bereits ihre erste Sitzung ab. [2] Es wird eine von zweiundzwanzig Sitzungen sein, die das 24-köpfige vorparlamentarisches Gremium vom 29. Mai 1949 bis zum 20. September 1949 abhalten wird. [3] Dadurch haben sie bereits einen erheblichen Teil dazu beigetragen, eine Verfassungsvorlage für die junge saarländische Demokratie auszuarbeiten.

 

1 Jahr nach den Kommunalwahlen: Landesweite Wahl von Landtag und Gesetzgebender Versammlung

Der 12. Juli 1947 war der Tag, an dem die französischen Noch-Besatzer die Verordnung Nr. 104 ausgaben, um freie Wählerlisten für das Saarland zu ermöglichen, an denen nur reine Saarländer mitwirken durften. [4] Über einen Monat später gaben sie am 29. August 1947 die Verordnung Nr. 107 heraus, damit die Wahl zu einer Gesetzgebenden Versammlung und einer saarländischen Landtagswahl stattfinden konnte. Für diese Wahl legte man den 15. Oktober 1947 fest. [4] Somit fand die erste landesweite Wahl exakt 1 Jahr und über 2 Wochen nach der ersten demokratischen Kommunalwahl im Saarland und 15 Jahre nach der letzten Landratswahl für das Saargebiet statt. [5] Es handelt sich also um eine Doppelwahl, weil man nicht nur den ersten saarländischen Landtag wählte, sondern gleichzeitig auch die saarländische Gesetzgebende Versammlung.

 

Der Verfassungsentwurf steht!

Zum 25. September 1947 wurde der Verfassungsentwurf zur Verfassung des Saarlandes für alle Saarländer veröffentlicht und bereits zehn Tage später, am 5. Oktober 1947, die erste saarländische Landtagswahl mit saarländischer, gesetzgebender Versammlung abgehalten. [6]

Plakat und Verfassung.jpg

Die Verfassung wird vom Saarvolk angenommen

Man kennt aus dem allgemein anerkannten Militärrecht, dass die Wahlbeteiligung über 50% betragen muss, damit etwas als angenommen gilt. Und so ging man auch im Saarland vor. Die Parteien, treffender die politischen Vereine, sind damals frei entstanden. Man hat den Saarländern damals gesagt: „Wenn ihr diese neuen Parteien und die Verfassung gutheißt, dann geht zur Wahl. Wählt einen politischen Verein und damit den Abgeordneten eures Vertrauens.“

Und dann gingen 95,7% der Saarländer wählen. [7] Durch diese Wahl hat man also nicht nur die politischen Vereine (Parteien) bestätigt, sondern auch gleichzeitig die Verfassung des Saarlandes, die durch die Verfassungskommission mühevoll ausgearbeitet wurde. Das heißt wenn der Saarländer damals nicht gewählt hätte, dann wäre die Verfassung des Saarlandes niemals in Kraft getreten.

Anschließend wurde aus dem vorparlamentarischen 24-köpfigen Verfassungskommission-Gremium ein 50-köpfiger, parlamentarischer Verfassungsausschuss, der auch aus der Gesetzgebenden Versammlung des Saarlandes maßgeblich hervorging. [6]

 

Ein Ausschuss der Gesetzgebenden Versammlung übernimmt die Aufgaben der Verfassungskommission

Während sich die Gesetzgebende Versammlung des Saarlandes mit allen Gesetzen und Rechten des Saarlandes auseinandersetzte und ihre erste Sitzung am 14. Oktober 1947 abhielt, startete der Verfassungsausschuss der Gesetzgebenden Versammlung seine Arbeit vier Tage später am 18. Oktober und übernahm die Aufgaben der Verfassungskommission. Der Verfassungsausschuss hat sich, wie der Name vermuten lässt – rein mit der Verfassung des Saarlandes beschäftigt.

Die Gesetzgebende Versammlung war also durch den Verfassungsausschuss zugleich eine Verfassungsgebende Versammlung. Die Gesetzgebende Versammlung agierte bis zum 15. Dezember 1947, der Ausschuss bis zum 17. Dezember.

Mit nur 8 Sitzungen für die Versammlung und 9 für den Ausschuss war die Verfassung in einem bemerkenswerten Tempo erarbeitet. [6]

 

Die Wahlbeteiligung spricht eine sehr deutliche Sprache

520.000 wahlberechtige Saarländer und viele nicht wahlberechtigte Saarländer – aus Gründen des Alters, der Gesundheit usw. – haben mit ihrem Willen diese Verfassung erst ermöglicht. [7]

Man kann also nicht von Zwang sprechen. Wäre es Zwang gewesen, hätten wesentlich mehr Leute die Wahl verweigert und sich überhaupt nicht in die Liste der Wahlberechtigten eintragen lassen.

 

Keine Einwände, Euer Ehren!

Bei Eheschließungen und bei Schulabschlüssen bekam man die Verfassung des Saarlandes geschenkt. Jeder freie Saarländer, der des Lesens mächtig war, konnte erkennen, ob die Verfassung des Saarlandes gut oder schlecht ist. Jedem Saarländer hat es nach Veröffentlichung der Verfassung offen gestanden, Einspruch zu erheben.

Jeder hätte gegen eine Norm vorgehen können, d.h. gegen einen bestimmten oder sogar mehrere Artikel, sowie gegen die gesamte Verfassung. Die Frist betrug 30 Tage. [8] Man hat dafür die Verfassungskommission aufrechterhalten und vorgesehen, einen Verfassungsgerichtshof zu gründen. Über diese konnten Klagen eingereicht werden. [8] Kein einziger Saarländer ist aber dagegen vorgegangen.

 

Man muss völlig ignorant sein, wenn man an der Legitimität dieser Verfassung zweifelt. Mehr Bestätigung für eine Verfassung kann man eigentlich gar nicht erhalten. [9] Und damit wurde aus dem Entwurf schließlich Gesetz und ist es noch heute so.

 

Waren damals Feinde Deutschlands an der Macht?

Entgegen Falschdarstellungen der Westdeutschen Bonner Republik und ihren örtlichen Agitatoren   waren die Saar-Regierung bzw. die Saarländer keine Feinde Deutschlands. Sie waren keine bösartigen Separatisten, sondern nur souveräne Menschen, die etwas zu sagen hatten, weil sie durch legitimierte Volksvertreter gewählt worden sind. Zudem vollbrachten sie gute Leistungen, was man von den heutigen Pfeifen im Bundestag nicht behaupten kann. Folglich hatten die Saarländer auch großes Vertrauen in die politischen Entscheidungen ihrer Volksvertreter. Das Deutsche Reich war spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg handlungsunfähig. Das Leben musste aber irgendwie weitergehen. Man hatte erlebt, was Hitlerdeutschland angerichtet hatte, welches Leid Hitlerdeutschland über das Saarland brachte und wie es den Deutschen während der Weimarer Republik maßgeblich schlechter ging als im Saarland. All diese Gründe motivierten eine Neuausrichtung in Richtung Frankreich. Jedoch war der Saarländer gewieft genug, eine Eigenständigkeit zu erlangen, "die nicht dazu führen kann, dass das, was am Anfang mal große Narren in Frankreich vorhatten, die Saar einfach zu kassieren, zu annektieren", wie Franz Schlehofer, damaliger Leiter des Büros der Verfassungskommission, es formulierte."  [10]

 

Was steht in der Verfassung drin?

Werfen wir einen Blick in die Verfassung. Dort heißt es: „Die Verfassung des Saarlandes wird eingeleitet durch die Präambel. Diese Präambel ist nicht nur eine Einleitung über Entstehung und Zielsetzung der Verfassung, sie enthält im Gegensatz zur Weimarer Verfassung auch Rechtsverbindlichkeiten, durch die sie zum wesentlichen Teil der Verfassung des Saarlandes wird. Sie gibt dem Willen der Saarbevölkerung Ausdruck, nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches, das Gemeinschaftsleben in kultureller, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht neu zu gestalten, wie es die materiellen moralischen und geistigen Schäden der Gegenwart erfordern.

Ihre Hauptbedeutung jedoch liegt im Vollzug des wirtschaftlichen Anschlusses an Frankreich, geleitet von der Überzeugung, dass in Besinnung auf natürlich gegebene und gebotene Möglichkeiten die Einordnung der Saarwirtschaft in den französischen Wirtschaftsbereich den Bestand und damit die Zukunft des Saarlandes sichern kann.“ [11]

 

In der Präambel heißt es dann pathetischer:

Präambel.png

Hierzu möchten wir einige Dinge genauer erläutern.

 

Einordnung in den Wirtschaftsbereich

Zum Thema Organische Einordnung des Saarlandes in den Wirtschaftsbereich Frankreichs schauen wir uns das Beispiel Liechtenstein an. Liechtenstein gehörte vor 1900 zu Österreich. Das Fürstentum hatte einen Wirtschaftsvertrag mit Österreich-Ungarn, bis er ausgelaufen war. Mit einem solchen Vertrag werden geregelt: gemeinsamer Grenzschutz, gemeinsame Wirtschaftspolitik, gemeinsame Zollunion, gemeinsame Währung.

Und keiner würde heutzutage daran zweifeln, dass Liechtenstein souverän ist. Niemand behauptet Blödsinn wie „Liechtenstein ist ein Protektorat der Schweiz“. Wenn man ein kleines Land ist und sich noch in der Aufbauphase befindet, dann braucht man einen größeren Bündnispartner – diplomatisch wie wirtschaftlich. Und das war für das Saarland damals Frankreich gewesen.

Bei Liechtenstein war es vor 1900 Österreich und nach Ablauf des Wirtschaftsvertrags dann die Schweiz. Das ist mit Wirtschaftsbereich gemeint.

Durch die EU an ganz Europa angeschlossen

Mittlerweile sind wir nicht nur wirtschaftlich an Frankreich angeschlossen, sondern an ganz Europa; die Verfassung muss natürlich noch an die heutigen Gegebenheiten angepasst werden. Sie erlaubt uns aber, uns innenpolitisch selbst neu zu organisieren und uns eventuell wirtschaftlich neu auszurichten.

 

Vertrauend auf einem internationalen Statut und der Wiederaufstieg

Mit Wiederaufstieg ist das Volk gemeint, das nach Kriegsende wieder frei leben und sich entfalten kann. Weggebombte Industrien und Wohngegenden sollten erneut erblühen.

Es heißt Aufsichtsbefugnis eines Vertreter Frankreichs, um die Beobachtung des Statuts zu garantieren plus eine Organisation des Justizwesens, die eine einheitliche Rechtsprechung im Rahmen des Statuts gewährleistet.

Man hat damit ausgedrückt, dass saarländisches Recht im Saarland vertreten wird, durch internationales Recht und dazu gehört auch das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Man hat international anerkannt, dass es bei uns Souveränitätsbestrebungen gab und dass diese mit aller gesetzlichen Gewalt zu schützen sind. Die Einheitlichkeit der Rechtsprechung wurde durch den Verfassungsgerichtshof gewährleistet.

 

An die Menschen, die in Gedanken noch im vorletzten Jahrhundert leben

Oft wird eingewendet, dass die Leute hier doch Preußen oder Bayer sind und die Verfassung ungültig sei, weil sich das Deutsche Reich nach 1918 immer noch im Kriegsrecht befand und wir nach 1871 zum Deutschen Reich gehörten. Aber die Saarländer gab's schon vor der Gründung Preußens. Unser Gebiet war mehr als 800 Jahre reichsunmittelbar zum Deutschen Reich. Und damit ist das Heilige Römische Reich Deutscher Nation gemeint. Wir hatten immer einen Sonderstatus, der uns eine gewisse Unabhängigkeit und Selbstverwaltung gewährleistet hat.

Nur weil sich Preußen und Bayern in der Vergangenheit Gebiete von uns abzwackten, hat sich dadurch nicht plötzlich unsere Ethnie verändert. Wir sind weiterhin Saarländer geblieben und haben als Volk ein Selbstbestimmungsrecht, genauso wie jedes andere Volk. Wir als Saarländer haben beschlossen, einen neuen Staat zu verankern! Der freie Wille eines Volkes und sein Selbstbestimmungsrecht sind zu respektieren. In freier Entscheidung haben wir uns vom handlungsunfähigen Deutschen Reich unabhängig gemacht.

 

Zur Entstehung der saarländischen Staatsangehörigkeit und ihrer Umsetzung

Mit der saarländischen Staatsangehörigkeit hat man es sich sehr einfach gemacht. In der Verfassung des Saarlandes heißt es unter Artikel 66 lediglich: „Erwerb und Verlust der saarländischen Staatsangehörigkeit werden durch Gesetz geregelt.“

Nach nur sieben Monaten hatten wir Saarländer dann ein Ausführungsgesetz. Man findet dieses Gesetz im Amtsblatt Nr. 61 vom 14. August 1948. Die Umsetzung dieses Gesetzes machte es gesetzgebend. Vor diesem Gesetz galt noch das Altrecht der Saareinwohner. Dieses Altrecht hatten wir von der Übergangszeit zwischen 45 und 47.

 

Waren wir durch unsere Verfassung souverän?

Hier die kurze Antwort: Ab 17. Dezember 1947 wurden wir durch unsere Verfassung teilsouverän. Es folgten weitere Saar-Konventionen, von denen uns jede souveräner machte, bis wir dann 1953 voll souverän wurden. [12]

Genauere Details zur Souveränitätszunahme finden Sie hier.

Auch bei saar-nostalgie.de unter Politik - Verfassung

 

Quellen:

[1] Das Saarland zwischen Frankreich, Deutschland und Europa  1945–1957, S. 104f ; [2] S. 109 ; [4] S. 110f; [6] S. 112

[3] Die saarländische Verfassung vom 15. Dezember 1947 und ihre Entstehung von Robert Stöber (1952) S.I und S. 1 i.V.m. S. 6f              

[5] Wahlergebnisse bei den Wahlen zum Landesrat 1922 bis 1932 (Informationen des Landtag des Saarlandes)

[7] Amtsblatt der Verwaltungskommission des Saarlandes Jg 1947, Nr. 51 S. 514-516  

[8] Die Entwicklung des Verfassungsrechts im Saarland von 1945 bis 1958. In: Jahrbuch des Öffentlichen Rechts der Gegenwart. Neue Folge / Bd. 9, 1960, S. 432–462

[9] Saarländische Verfassung Präambel, Art 129, 131, 133 und Französisch-Saarländische Steuer- und Haushaltsatzung Art. 59, Amtsblatt des Saarlandes, Jg 1948 Nr. 04, S. 101

[10] saar-nostalgie.de ⟶ Politik ⟶ Verfassung

[11] Saarländische Verfassung mit den Konventionen über das Steuer-, Haushalts- und Justizwesen von 1948, S. 4

[12] Amtsblatt des Saarlandes Jg 1947,  Nr. 67,  S. 1077 bis 1092; Allgemeine Konvention zwischen Frankreich und dem Saarland (Saar-Konvention) vom 20. Mai 1953; Amtsblatt des Saarlandes Jg 1953, Nr. 53, S. 769ff

Die Präambel
bottom of page