top of page

Die Warndtkohle im Abstimmungskampf – Wie ein Pachtvertrag zur Propagandawaffe wurde

Aktualisiert: 20. Juli

Im saarländischen Abstimmungskampf von 1955 polarisierte ein Thema besonders: jahrzehntelange Pachtverträge mit Frankreich über die Warndtkohle. Gegner des europäischen Saarstatuts warfen Johannes Hoffmann vor, er ließe Frankreich das Saarland wirtschaftlich ausbeuten, er betreibe Verrat an den Saarländern. In Wahrheit jedoch war dieser Vorwurf historisch kurzsichtig, heuchlerisch und verlogen bis ins Mark – ein Thema, das uns heute noch immer aktuell betrifft.


ree

Kohle hat bei uns Tradition!

Der Kohleabbau hat im Saarland eine lange Geschichte: Schon seit 1431 ist im Saarland Kohleabbau urkundlich nachweisbar, wobei der Steinkohleabbau im Jahre 1840 einen starken Aufschwung erlebt. In der Völkerbundzeit (1920-1935) gehen die bayrischen und preußischen Gruben im Saargebiet in französisches Eigentum über, wobei man 1924 saarländische Kohle grenzverletzend unterirdisch von Lothringen abbaut. [1] Lothringen erhält in dieser Zeit Abbaurechte für 99 Jahre. Nach dem Saarreferendum 1935 gehen die Gruben durch Rückkauf dann wieder ans Deutsche Reich und der Abbau-Vertrag wird gekündigt, wobei Frankreich den Abbau bis 1940 fortführen darf.


10 Jahre später nach Ende des zweiten Weltkrieges übernimmt ein französisch neutraler Treuhand-Verwalter vorübergehend die Gruben, um zu klären, wessen Eigentum die Gruben sind. Sie werden zu 100% dem Saarland zuerkannt, aber man teilt sich die Nutzungsrechte der Gruben ab 1954 mit dem Saarland zu gleichen Teilen [2] Im Gegenzug erhält das Saarland im Rahmen der Wirtschaftsunion auch Abbaurechte in Lothringen und profitiert enorm vom französischen Absatzmarkt. Dennoch ist das saar-französische Verhältnis durch das Nutzungsrechte-Verhältnis bei den Saargruben etwas angespannt .

ree

Beweis: Die Saarkonventionen (Paris, 20. Mai 1953)

Art. 1: Frankreich und das Saarland kommen überein, die Verantwortung für den Abbau der Kohlenfelder im Saarland, und zwar der verliehenen und nicht verliehenen Kohlenfelder, die sich innerhalb der Grenzen des Saarlandes befinden gemeinsam zu übernehmen. Hierzu wird ein Unternehmen mit dem Namen „SAARBERGWERKE" gegründet, ... eine juristische Person des öffentlichen Rechts.


Und unter Art. 2 heißt es dort: Nach erfolgter Anerkennung des Eigentums des Saarlandes an den Kohlenfeldern und Anlagen verlängert sich die Laufzeit dieses Vertrages automatisch auf die vorgesehene Gesamtdauer von 50 Jahren, gerechnet vom Tage des Inkrafttretens der Konvention über den Betrieb der Saargruben vom 3. März 1950.


Das Warndtgebiet im Südwesten des Saarlands ist reich an Kohlevorkommen. Im Zuge der wirtschaftlichen Sonderstellung der Saar nach 1945 sicherte sich Frankreich – ähnlich wie in Lothringen – wirtschaftliche Nutzungsrechte, die nicht zur Enteignung, sondern zur Förderkooperation führten.


Der Vorwurf der NEIN-Sager: Frankreich nutzt das Saarland aus

Im Abstimmungskampf wurde die Pacht zum Symbol des „Kolonialstatus“. Politiker und Presse aus der Bundesrepublik bezeichneten die französischen Förderrechte als skandalös. Beim Abbau der saarländischen Kohle gingen die Saarländer angeblich leer aus. Das passte ins größere Bild der antieuropäischen Kampagne: Das Saarstatut sei ein Knebelvertrag, der das Saarland wirtschaftlich ausliefert.


Hoffmann widerspricht entschieden

Joho weiß zu kontern:

„Man behauptet einfach drauf los und es ist ja bekanntlich nichts dumm genug, um es nicht vorzutragen. … Was wird da nicht alles behauptet? Bergbau und Hütten befänden sich [in] nicht saarländischem und nicht deutschem Besitz. Ja, das ist doch einfach mehr als billig, so eine Bemerkung. Denn wann [war das] denn jemals wesentlich anders als heute? (Satz grammatikalisch korrigiert) Und solche Plattheiten gibt man von sich im Zeitalter der weltwirtschaftlichen Verflechtung, die die Bundesrepublik nicht hindert, französische oder italienische Mehrheiten an der Ruhr oder sonst wo zu schaffen und zu fördern.

Weiter führt er aus, „dass im Interesse der Entwicklung der Saarbergwerke die wirtschaftlich, für das Saarland richtige Lösung des Warndtproblems möglichst schnell gefunden werden muss. Ja, ich hatte ausgesprochen, dass es uns kaum möglich sein wird, einen so langfristigen Pachtvertrag [über 50 Jahre], wie er zunächst vorgesehen war, abschließen zu können. Und dass es erforderlich erscheint, erneut wegen der Bedeutung und Dringlichkeit dieses Problems mit Frankreich zu verhandeln.

Und nun stellt man die Dinge so dar, als ob wir, die Regierungen nach 1947 an der Saar, zum ersten Mal zu einem Pachtvertrag bereit wären, obwohl doch jeder politische ABC-Schütze wissen muss aus der Geschichte der letzten 30 Jahre, dass es früheren Reichsregierungen einschließlich Adolf dem Großen, durchaus vertretbar und selbstverständlich war, Pachtverträge über den Warndt abzuschließen. Dass die ohne unsere Zustimmung nach 1945 erfolgte Praxis des Abbaus im Warndt eine neue Regelung bedarf, geht schon daraus hervor, dass in allen Wirtschaftsverhandlungen, die wir mit Frankreich geführt haben, von uns eine Regelung des Warndtproblems gefordert wurde, die der Rentabilität der Saargruben förderlich ist, die die Arbeitsplätze für die saarländischen Bergleute in ihrer Heimat und im eigenen saarländischen Unternehmen sichert, und die die sozialen Belange unserer Bergleute auch nicht um einen Deut schmälert.

Wir haben uns nie gescheut auszusprechen, dass die Warndtkohle saarländische Kohle ist und dass wir darauf bestehen müssen, dass sie zum überwiegenden Teil vom saarländischen Bergmann über saarländische Schächte abgebaut wird und der saarländischen Wirtschaft zugutekommt. Was die wirtschaftliche Seite des europäischen Saarstatuts angeht, so können wir bisher nur feststellen, dass von den Neinsagern nichts vorgebracht worden ist, was wir nicht schon längst vorgebracht haben, wozu aber durch das Statut alle Möglichkeiten eröffnet werden.“

(Wartburgrede vom 13. August 1955 in Saarbrücken)


Eine Spezialität der Bundesrepublik – Projektion und Doppelmoral

Betrachten wir hierzu auch kurz die Situation um das sog. Ruhrstatut: Mit der internationalen Ruhrbehörde im Jahr 1949 wurde die Ruhr kolonialisiert. Von Seiten der KPD wurde in Drucksache Nr. 5 vom 08.09.1949 darauf gepocht, dieses Statut abzulehnen. Es bewirkte:

  1. einen Entzug der deutschen Verfügungsgewalt über Rohstoffe und Grundindustrien,

  2. Eingriffe in Wirtschafts-, Handels- und Preispolitik Westdeutschlands,

  3. einen Verlust lebenswichtiger Souveränitätsrechte und

  4. stand im Widerspruch zu den Interessen der deutschen Bevölkerung


Ausländer, deren Firmen nach außen hin deutsche Namen tragen mussten, bedienten sich nach Herzenslust im Ruhrgebiet. Kontrolliert wurden die Kohle-Fördermengen, Preise, Exportquoten und Lieferungen an Nachbarstaaten.

Außerdem musste das Ruhrgebiet verpflichtend Kohle und Stahl an andere europäische Länder liefern – auch wenn es in Deutschland Engpässe gab. Damit war es ein Symbol für die Fremdbestimmung über Deutschland.

Wie viel freier dieses Land gegenüber dem Saarland war, offenbart auch der Vertrag von 1951 über die Gründung der europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS)[5]. Dort heißt es unter Kapitel V §22: Sonderbestimmungen sinngemäß:

"Die BRD braucht das Einverständnis der hohen Behörden, um Kohle und Stahl an die DDR zu verkaufen."


Frühere Reichsregierungen hatten zudem, wie Hoffmann ausführte, kein Problem damit, den Warndt zu verpachten oder an der Ruhr französische und italienische Mehrheiten beim Kohleabbau entstehen zu lassen. Doch besonders pikant ist das, was nach der Abstimmung passiert ist:

Die Bundesrepublik macht Frankreich Zugeständnisse[3] und erlaubt, von einem Teil des Warndts für 25 Jahre 66 Mio. Tonnen Kohle abzubauen und zusätzlich 24 Mio. Tonnen zum Selbstkostenpreis. Und das Beste:

Saarländische Kohle wurde 1957 PRIVATISIERT: Die staatlichen Saarbergwerke wurden in eine Aktiengesellschaft umgewandelt:

74 % der Anteile erhielt der Bund, 26 % das Saarland.

Hier wurden dem Saarland also 3/4 seiner Eigentumsrechte nach 1955 entzogen und 1997 alle restlichen saarländischen Anteile an die Ruhrkohle AG, kurz RAG, verscherbelt.


Mittlerweile ist Schicht im Schacht und nach aussichtslosen Klagen die Grubenflutungen so gut wie beschlossen.


Eine nette Sparmaßnahme und wie man Korruption betreibt

Die 2007 gegründete RAG-Stiftung hat Umweltverpflichtungen. „Aus den Gruben muss kontinuierlich das [Gruben]Wasser abgepumpt werden, damit es oberirdisch keine Probleme gibt. … wenn hier im vollen Umfang abgepumpt werden muss, kostet das die RAG 20 Millionen Euro im Jahr“[4]

Geplant ist nun seit Jahren, das mit Giftstoffen belastete Grubenwasser unterirdisch auf -320 Meter ansteigen zu lassen. Und warum? Weil die RAG ihren Pflichten nicht mehr nachkommen will. Sie will Geld einsparen und „schmiert“ seit Jahren Politiker, denn witzigerweise sitzen seit 2011 alle saarländischen Ministerpräsidenten im RAG-Kuratorium, sind also in genau dieser Stiftung tätig, die aus Kostengründen die Gruben fluten lassen will.


Na dann, Glück auf!


Quellen:

Kommentare


Dieser Beitrag kann nicht mehr kommentiert werden. Bitte den Website-Eigentümer für weitere Infos kontaktieren.

Wir berufen uns auf UNSER Recht der freien Meinungsäußerung nach Art. 5 (1) - (4); Saarl. Verf. im Rechtstand vom 23. Mai 1953!

© 2021 Freies Saarland

bottom of page